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der krieg findet ja nicht im bild statt
die erfahrung die du machst
darauf kommts an da
gibts nichts zu verstehen


Land ohne Worte
von Dea Loher

Übersetzung der Kritik zur Inszenierung in Wroclaw/ Polen
im Dezember 2011


Die Aufführung „Land ohne Worte“ unter Regie von Elzbieta Bednarska  ist ein anrührender Monolog über Relationen zwischen Kunst und Leben. Dargestellt durch Schauspielerin Anna Schrottenberg, ein mit Emotionen gefüllter Text von Dea Loher, zeigt eine grelle Inkompatibilität der Kunst zur Wirklichkeit, die mit Schmerz und Angst geprägt ist.
Die Protagonistin ist sie: eine namenlose Künstlerin, empfindlich für die Welt, suchend nach den Quellen der Kunst nicht nur in Äußerem, sondern auch in eigener Seele. Sie lässt sich in einem weißen Hemd und barfuß sehen; Weiß, was mit Unschuld assoziiert ist, wird zur Farbe der Angst ernannt. Die Frau beginnt ihre Rede, indem sie gekrümmt an der Wand sitzt – aus der Dunkelheit holt sie ein zerbrechliches Lichtstrahl, der wie ein Heiligenschein über ihrem Kopf anhält. Ihre Worte sind direkt an uns und gleichzeitig ins Unterbewusstsein gerichtet. Dadurch bilden sie einen inneren Monolog, der aus dem ethisch-eshtetischen Dilemma der Künstlerin entspringt.

Die Frau erzählt von ihrem Aufenthalt in der Stadt K., von ihrer Suche nach dem Thema eines weiteren Kunstwerkes, von der Unmöglichkeit, die Feinheit der menschlichen Gefühle und Erlebnisse durch die Kunst darzustellen. Sie zeigt den Missklang zwischen der Oberfläche und dem Kern aller irdischen Güter („you've seen the surface but you can feel what's beneath”). In ihrer Äußerung tauchen eigenartige Schlüsselworte auf, die den Zuschauer in die Wirklichkeit der Gewalt und des Krieges verweisen. Denn man spricht von Soldaten oder körperbehinderten Geretteten (das erwähnte Mädchen mit veraltetem Gesicht und verbrannter Zunge scheint als eine Metapher solcher Kunst zu funktionieren, die hilflos gegenüber der Grausamkeit des Lebens schweigt). Die Protagonistin zeigt die ganze Vielfalt der Emotionen, vom erschrockenen Flüstern bis zum boshaften Sarkasmus (wie in der Szene, in der sie in einem verrückten Tanz auf unbedeutende Themata, die auf die Leinwand gebracht werden sollen, sowie naive Landschaften verzichtet).

Die ganze Bühne ist mit sich durchquerenden Leinen gehüllt, die an ein Spinnennetz erinnern und zwischen denen sich die Künstlerin bewegt. Diese charakteristische Einkreisung des Raumes, in dem man sich bewegt, betont Isolation und Einsamkeit der Frau, die mit ihren eigenen Erinnerungen und Gedanken alleine gelassen ist (wie ein Echo kommen in ihrer Rede immer wieder zurück Worte „you're stuck”, „you should be isolated”). Manchmal begleitet sie ihr Doppelgänger – eine filmische Darstellung ihrer eigenen Gestalt, vorgeführt auf der hinteren Wand der Bühne (was einen hervorragenden Effekt einer vervielfältigten Person gibt). Wenn aber die Protagonistin zum Kern der Wahrheit über sich selbst und über die Welt kommt, wenn sie sich die meist schmerzhaften Tatsachen bewusst macht, versteckt sie sich hinter dem Wandschirm – das Bild ihres Gesichts in einer großen Annäherung wird im Hintergrund gezeigt.

Das Theaterstück wird auf Deutsch gespielt; wegen der Fülle des Textes zeigen sich vor Augen des Zuschauers nur seine Fragmente in Form des Untertitels. Die fehlende Kenntnisse der Sprache des literarischen Originals scheint anfangs beim Verständnis der Ideen, die aus der Bühne auf uns einwirken, zu stören. Die Betonung der Spannung zwischen dem Wort und der Sprache lässt sich aber dabei anhalten, was zwischen Worten sichtbar ist. Große Expressivität von Anna Schrottenberg, ihr Beherrschung des szenischen Raumes und die hart-rauschelnde Melodie der deutschen Sprache geben dem Stück einen eigenartigen Rhythmus und Gewandtheit. Die Aussagen sind auch mit beunruhigenden musikalischen Motiven und mit dem Gesang der Künstlerin durchschnitten.

Die Aufführung basiert auf starken Oppositionen des Lichtes und der Dunkelheit, des Weißes und des Schwarzes, des Wortes und des Schweigens, der Bravour und der Angst. Sie reicht bis zu elementaren menschlichen Erfahrungen, ausgeweitet zwischen Ethik und Ästhetik. Dank dem hervorragenden künstlerischen Spiel pulsieren im Dea Lohers Text Emotionen, und die Fülle von Bedeutungen gewinnt an Ausdruckskraft. „Land ohne Worte“ zeigt eine große Verlorenheit des Künstlers in der Kompliziertheit des Lebens, und die Einfachheit der Ausdrucksmittel wird der Komplexität der Künstlerin unterordnet. Indem die Grenze zwischen Kunst und Leben markiert wird, wird die Frage danach, was am wichtigsten ist, gestellt – die Frage nach der Kunst des Lebens.
Karolina Augustyniak

Dziennik Teatralny Wroclaw 22. Dezember 2011 „Land ohne Worte”. Centrum Inicjatyw Artystycznych (Zentrum der Kunstinitiativen) in Wroclaw. Regie: Elzbieta Bednarska


© Fotos: Julian Olearczyk und Adam Rudnicki
Regie
Elzbieta Bednarska

Schauspiel
Anna von Schrottenberg

Musik
Tobias von Glenck

Ausstattung
Maciej Hoffman

Multimedia
Roger Rossell

Vorstellung
9. - 11.02.2012/ 20.00h, Theaterkapelle/ Berlin  >>

Eine Produktion von Fundacja Spotkania in Kooperation mit dem Goethe Institut in Krakow und Towarzystwo im. Edyty Stein

Fotos

Kritik zur Premiere in Wroclaw/ Polen, Dezember 2011
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Flyer (.pdf/ 168kb)